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20.06.2022

Eisenacher Hundert - Gesichter einer Straße

Für eine Ausstellung und einen Fotoband hat der Fotograf John Kolya Reichart 100 Menschen aus 100 Lebensjahren fotografiert - darunter Bewohnerinnen des Immanuel Seniorenzentrums Schöneberg.

Fotograf John Kolya Reichart mit Ruth Langer (rechts) und Ursula Golz bei der Vernissage. Über Ruth Langer hängt ihr Portrait. Das Foto links neben ihr ist von Inge Adamik.

100 Jahre Lebensalter, 100 Gesichter. Ein Ausschnitt vom Umschlag des Fotobandes. Ganz unten rechts schließt das Portrait der 100-jährigen Ursula Golz die Reihe ab.

Das Immanuel Seniorenzentrum Schöneberg ist vielfältig in seinem Kiez verankert. Ob mit einem Stand auf dem lesbisch-schwulen Stadtfest, den Besuchsdiensten ehrenamtlicher Menschen aus der Umgebung oder Rikschafahrten durch die Nachbarschaft - soweit möglich, sind die Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Stadtteil verbunden. Jetzt sind vier von ihnen Teil einer Ausstellung und eines Fotobandes geworden. Denn für das Projekt "Eisenacher Hundert" hat der Fotograf John Kolya Reichart 100 Menschen aus 100 Lebensjahren aus dem Umfeld der Eisenacher Straße in Schöneberg fotografiert und interviewt. Das Ergebnis ist jetzt in einer Ausstellung zu sehen.

"Der Fotograf hat bei uns im Seniorenzentrum angefragt, weil ihm noch die Jahrgänge 1922, 1923, 1929 und 1930 fehlten", berichtet Einrichtungsleiter Ralf Schäfer. Vier Bewohnerinnen im richtigen Alter waren bereit mitzumachen: Ruth Langer, 92, Inge Adamik, 93, Hildegard Olschewski, 99, und Ursula Golz, 100.

Der Fotograf nahm sich lange Zeit für Gespräche mit jeder von ihnen und holte sie dann für einen Fototermin in der Eisenacher Straße ganz in der Nähe des Seniorenzentrums ab. Entstanden sind eindrückliche Portraits ausdrucksstarker Persönlichkeiten in schwarz-weiß.

Nach dem Fotoshooting kam Reichart erneut in die Einrichtung, um den Frauen ihre Fotos zu zeigen und mit ihnen über ihre Bilder zu sprechen. Zitate und kurze Berichte über diese Begegnungen sind im Fotoband neben den ganzseitigen Fotos festgehalten.

Die frühere Postbeamtin Hildegard Olschewski sagt, sie sei zufrieden. "Nur gesundheitlich muss man besser drauf sein." Mit Wehmut erinnert sie sich an die Jugend in Schlesien auf dem Land - "da kann man glücklich sein".

Ruth Langer, auf dem Foto mit gewelltem Haar und frischem Lächeln, freut sich, wie unbeschwert sie auf dem Bild aussieht. Die Aktion sei eine schöne Abwechslung gewesen. Überhaupt möchte sie noch ganz viel aufnehmen, Vorträge und Diskussionen hören.

Inge Adamik, Filzkappe auf dem Kopf, weißes Tuch um den Hals und ernster Blick in die Kamera, erkennt sich kaum wieder auf dem Foto. Mit dem Fotografen spricht sie darüber, was Schönheit ist.

Ursula Golz thront 100-jährig mit Pelzkappe und Pelzkragen, großen Ringen und kräftig geschminktem Mund mit zufriedenem Blick. "Eigentlich gefällt's mir überall. Nur zuhause will ich gerne sein", sagt die ehemalige Dolmetscherin, die den Fotoband und die Ausstellung gleichsam majestätisch abschließt.

Die Ausstellung ist bis zum 29. Juli 2022 in der Eisenacher Straße 57 in Berlin-Schöneberg zu sehen.
Öffnungszeiten: Dienstag & Freitag 17 bis 20 Uhr, Samstag 12 bis 20 Uhr.

 
 
 
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